Tausende Flüchtlinge warten seit Tagen in Budapest auf ihre Weiterreise – doch Ungarns Regierung ließ sie bisher nicht. Am Bahnhof herrscht Chaos. Erst jetzt zog sich die Polizei zurück, auf die Züge begann ein Massenansturm. „Deutschland! Deutschland!“, „Germany, help us“, „Wir wollen hier weg!“ – seit Samstag protestieren verzweifelte Flüchtlinge mit Sprechchören und Parolen auf Pappschildern am Budapester Ostbahnhof. Sie versammeln sich auf der Treppe vor dem Bahnhofsgebäude, in Unterführungen oder auf dem weitläufigen Platz vor dem Bahnhof. Die Polizei treibt die Menschen immer wieder auseinander, später kommen sie dann wieder zusammen, um erneut zu protestieren.
Verschärfung der Kontrollen in Österreich
Das trägt sicherlich nicht zur Entspannung der Lage in Budapest bei:
Als Reaktion auf die 71 toten Flüchtlinge, die in einem Lkw auf der A4 gefunden wurden, hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Kontrollen an den Grenzen in der Ostregion verstärken lassen. Ab Sonntagabend sollen größere Fahrzeuge mit möglichen Verstecken für Geschleppte von der Exekutive angehalten und kontrolliert werden. Im Kampf gegen die Schlepperkriminalität, und um gefährliche Situationen auf der Autobahn zu verhindern, würden bis auf weiteres Schwerpunktkontrollen im grenznahen Bereich und an den internationalen Hauptverkehrswegen durchgeführt.Diese grenznahen Kontroll-Hotspots seien mit den bayrischen, ungarischen und slowakischen Behörden akkordiert, heißt es in dem Schreiben. Im Rahmen der Kontrollen werden im Nahbereich der Grenzübergänge in der Ostregion jene Fahrzeuge, die auf mögliche Schmuggelverstecke schließen lassen, angehalten und verkehrs- bzw. sicherheitspolizeilich überprüft. In Niederösterreich wird etwa auf der A4 und der B9 verstärkt kontrolliert.
Aktuelle Situation am Bahnhof Keleti
Nachdem es heute Mittag eine weitere Protestaktion gab, ist die Lage am Bahnhof momentan (14.00 Uhr) angespannt ruhig. Allerdings sind mittlerweile noch mehr Menschen als Gestern am Bahnhof. Man kann sicherlich von Tausenden sprechen. Die Polizei hat sämtliche Zugänge zum Bahnhof für Flüchtlinge gesperrt. Bereits heute Abend, spätestens Morgen dürfte die Lage komplett eskalieren: Entweder es gibt einen Aufstand oder eine brutale, groß angelegte polizeiliche Aktion. Oder auch Beides.



Video der Trauerkundgebung
Hier ein Video der gestrigen Kundgebung am Bahnhof.
Aufgriffe an der Grenze
Laut ungarischer Polizei wurden in den letzten 24 Stunden 3.080 Personen an der serbisch/ungarischen Grenze aufgegriffen.
Situation am Bahnhof Keleti
Was wir in unserem gestrigen Kommentar prognostiziert haben, ist nun bereits eingetreten: Am Bahnhof Keleti campieren momentan mindestens tausend Menschen, darunter hunderte Kinder. Zweifelsohne kann hier von einer humanitären Katastrophe mitten in Europa gesprochen werden, die sich noch weiter verschärfen wird, wenn den Menschen nicht umgehend ermöglicht wird, mit dem Zug weiterzureisen.
Protest der Flüchtlinge am Bahnhof Keleti
Eben gerade protestierten die am Bahnhof Keleti festsitzenden Flüchtlinge für eine sichere Weiterreise mit dem Zug. Hier ein Video der Protestaktion.
Aufgriffe an der Grenze
Laut ungarischer Polizei wurden in den letzten 24 Stunden 2.822 Personen an der serbisch/ungarischen Grenze aufgegriffen.
Dublin-Überstellungen von Deutschland nach Ungarn
Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke gab es im zweiten Quartal 2015 3.565 Übernahmeersuchen unter der Dublin-VO von Deutschland an Ungarn und 2.665 Zustimmungen durch Ungarn . Damit liegt Ungarn nun unangefochten auf dem ersten Platz vor Italien (2.305 Ersuchen). Tatsächliche Überstellungen von Deutschland nach Ungarn gab es im selben Zeitraum allerdings gerade einmal 61. Die Zahl der positiven gerichtlichen Eilentscheidungen (viele davon in unserer Recherchedatenbank) beziffert die Bundesregierung mit 268, die der negativen mit 754.
Hungary scrambles to confront migrant influx
Hungary made plans on Wednesday to reinforce its southern border with helicopters, mounted police and dogs, and was also considering using the army as record numbers of migrants, many of them Syrian refugees, passed through coils of razor-wire into Europe.
In den Beitrag ist auch ein Video von den kürzlichen Auseinandersetzungen in Rözske eingebettet.